Ein Schauspieler fährt mit der U-Bahn. Er blättert in klassischer Blaubart-Literatur, liest einige Stellen, rezitiert vor sich hin. Kurz vor der Endstation wird der Mann müde und verfällt in einen Tagtraum. Seine Rolle: die des sagenhaften Ritters Blaubart. Sieben Damen, nämlich Selma Lagerlöf, die Schönheitstänzerin La Jana, die Musikschriftstellerin La Mara, die Frauenrechtlerin Helene Lange, Sophie von La Roche, Else Lasker-Schüler und schließlich die stigmatisierte Louise Lateau treten ihm gegenüber. Nacheinander übernimmt der Träumende mehr oder weniger passende Partnerrollen und begegnet ihnen als Kurt Laßwitz, Rudolf von Laban, Josef Lanner, Gustav Landauer, Johann Caspar Lavater, Friedrich de la Motte Fouqué, oder als dem Heiligen Laurentius. "Man bemerkt, alle Namen beginnen mit der Silbe ´la´. Sie entspringt dem Namen Blaubart, wie die Figuren seinem Gehirn." (Gerhard Rühm) Gerhard Rühm, bis heute ein intermedial und konzeptuell arbeitender Künstler, prägte mit seinen sprachexperimentell angelegten Hörspielen maßgeblich die Phase des Neuen Hörspiels.
Gerhard Rühm, geb. 1930, österreichischer Autor und Komponist. Mitbegründer der Wiener Gruppe. Hörspiele, u. v. a. Rhythmus R (SFB 1968), Wald – Ein deutsches Requiem (WDR 1983, Hörspielpreis der Kriegsblinden), Jahrtausendwende (WDR/ORF 2006).
...