Zu seinem Roman "Das Museum der Unschuld" baute Orhan Pamuk in Istanbul ein gleichnamiges Museum, das die Objekte des Romans in Vitrinen versammelt. Hinter Glas gehen die Dinge dort neue, zufällige Verbindungen ein und verweisen auf das Zeitgefühl der Oberschicht im Istanbul der 70er Jahre. "Bei der Gestaltung der Vitrinen wurde mir bewusst, dass die Dinge, die ich jahrelang gesammelt und im Roman beschrieben hatte, im Museum eine neue Bedeutung gewannen. Sobald sie in die Vitrinen kamen, redeten sie miteinander und sangen ein neues, ein über den Roman hinausgehendes Lied." Dieses "Lied" macht Antje Vowinckel in ihrem Klangstück hörbar. Sie überträgt die Idee der Vitrinen und der zufälligen Begegnung von Dingen und Sätzen ins Akustische, indem sie immer wieder Glasresonanzen verwendet. Diese verfremden den ursprünglichen Klang und rücken ihn in eine Distanz, wie man sie beim Betrachten der Dinge im Museum erlebt. Auch die Stimmung des hüzun wird angedeutet, das schwermütig passive Lebensgefühl der Türken, wie es Pamuk in seinen Büchern beschreibt.
Antje Vowinckel, geboren 1964 in Hagen, lebt als Klangkomponistin, Radiokünstlerin und Musikerin in Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt auf der musikalischen Komposition mit Sprache, insbesondere O-Ton. Ihr Stück "Call me yesterday" wurde in sechzehn Ländern gesendet. Daneben Live-Performances, Instrumental- und Videokompositionen. Ihre Werke wurden mehrfach ausgezeichnet u. a. mit dem Prix Europa, dem Karl-Sczuka-Förderpreis, dem Plopp-Award und zuletzt einer Honorary Mention beim Prix Ars Electronica, Linz für "Terra Prosodia". Stipendien führten sie in die USA, Italien, Frankreich, Portugal und West-Afrika.
Ursendung: 15.01.2014
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