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Roter Stern

Originalhörspiel - ein Hörspiel von Simone Schneider, BR - SFB 1992


Das Schiff der Utopie unter dem Sowjetemblem: Der Hochseedampfer "Roter Stern" schwimmt zwischen Rußland und Amerika, gesteuert von einer phantastischen Besatzung. Eine Arche der Neuzeit, deren Reise in den zwanziger Jahren beginnt und heute endet, mit ihrem Untergang. Der Idealstaat versinkt im Ozean, von nun an läuft die Geschichte rückwärts. Sie endet an einer Heerstraße, Krieg und Zerstörung ziehen vorbei, eskortiert von hungernden Menschen. Eine heimatlose Menschenschlange kriecht durch die Straßen der Neuen Welt. Wladimir ist der sowjetische Schauspieler auf dem Weg nach Hollywood. Jenseits aller Grenzen begreift er sich als Arbeiter der Taumfabrik im neuen Weltstaat. In den Briefen an seine Frau Lilina will er die Ereignisse seiner Reise schildern. Doch das aktuelle Bordgeschehen verliert seine Konturen, je mehr er sich in den Gängen des Schiffs verirrt. So begegnen ihm vier schwermütige Berufsrevolutionäre, die den Zusammenhang von Revolution und Reise theoretisieren. Die Stimme einer Amerikanerin lockt ihn in ein Labyrinth: als "Statue of Liberty" reiste sie mit einem Varieté durch die Allunionsländer, die sich in ihrem Bericht in "Allillusionsländer" verwandeln. Ihr Blick auf die Wirklichkeit läßt diese zur Tragödie werden: Auf Lenins Mausoleum spielt ganz Rußland Theater. Dagegen steht das Weltbild der Admiralin, einer nautischen Priesterin; ihr Kompaß ist auf den Mittelpunkt der Erde ausgerichtet. Sie ist auf der Suche nach dem versunkenen Atlantis, in dessen Nachfolge sie den Sowjetstaat sieht. Je mehr jedoch zwischen Wunschland und Wirklichkeit ein Abgrund klafft, desto phantastischer werden die Vorstellungen aller. Waldimir sieht ein erleuchtetes Amphitheater, von dessen Bühne herab er sich selbst eine apokalytische Wahrheit verkündet. Unter dem Roten Stern erscheint dem Kellner der Heilige Rochus, der Schutzheilige des Roten Kreuzes. Die Sehnsucht der Berufsrevolutionäre entwickelt sich zum Fernweh, das im Kino endet, und die Admiralin will schließlich ein Segel vor den Planeten spannen, um sich mit der ganzen Erde auf eine Sternenfahrt in ein anderes galaktisches System zu begeben. So versucht das Stück, die fiktionale Kraft des Aufbruchs mit dem katastrophischen Ende zusammenzudenken.

Simone Schneider, geb. 1962, Autorin - Theatertexte und Hörspiele

Ursendung: 20.03.1992

Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 18.07.2024

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