Das Wasser ist an Land gekommen, eine gewaltige Flutwelle hat alles mit sich fortgerissen. Energie wurde geraubt: Eine Anlage ist ausgefallen oder hat sich automatisch abgeschaltet. Nur noch ohrenbetäubende Stille erfüllt die Luft, ein Lärm, der die Welt lautlos unter sich begräbt, jedes Gehör taub macht, einem kollektiven Tinnitus gleich. Etwas hat sich grundlegend verändert – aber was? Etwas, das der Mensch erschuf, hat sich unumkehrbar gegen ihn gewandt, und das Licht, das früher auf ihn schien, muss er nun selbst abstrahlen, bläulich leuchtend aus den Knochen seines Körpers. Zwei Musiker (erste und zweite Geige), die wie die Band auf der Titanic weiterspielen, während das Schiff im Meer versinkt, versuchen in Elfriede Jelineks neuem Stück das Unfassbare zu fassen. Ohne dass die Worte Fukushima oder Atomkraft fallen, ist Kein Licht. ein Geisterszenario nach dem Super-GAU, ein Becketthaftes Endspiel, das abrechnet mit unserem bedingungslosen Glauben an die Beherrschbarkeit der Technik und in dem die Schreie der totgeschwiegenen Opfer gespenstisch widerhallen. "Angesiedelt in der Mikrogesellschaft eines Orchesterkorpus erleben zwei Musiker eine fundamentale Kernspaltung. Ihre aus Verzweiflung und Aberwitz gewobene Kantate gerät sukzessive aus den Fugen: Dux (lat. "Führer") und Comes (lat. "Gefährte") vertauschen ihre Rollen. In gegenseitiger Nachahmung ihrer Orientierungslosigkeit geraten sie so in tiefstes Dunkel. Noch behaupten sie ihre Instrumente zu spielen, doch können sie ihre Töne schon lange nicht mehr hören und so erzeugen sie nichts, jedenfalls keine Musik. Sie ahnen, dass etwas Furchtbares das ausgelöst haben muss. Trotzdem spielen sie weiter – wie Marionetten – zwanghaft bewegt. Diese lang vollzogene Verwandlung in Automaten zersetzt am Ende jede soziale Beziehung. Empathie geht verloren, Kunst teilt sich nicht mehr mit." (Leonhard Koppelmann)
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