1921 entwirft Chlebnikov, Futurist, Utopist, Schwarmgeist, Wortzertrümmerer und Wortschöpfer, die Zukunft des Radios. Alles konnte noch vom Radio gewollt, erwünscht, erträumt werden. Noch ist selbst die technische Apparatur ein Traumbild. Das ganze Inventar von Naturgewalten wird von Chlebnikov herangezogen, um den Eindruck des Mediums zu schildern. Unermeßlich, gewaltig, ungeheuer kostbar erscheint das Radio. Da ist die Nützlichkeit des Radios für die Volksaufklärung, die Chlebnikov zu einem Pfingstereignis verklärt. Fernheilung und unerhörte Arbeitssteigerungen erwartet er vom Radio. Es wird überall zur selben Zeit hörbar sein. Noch wird kein Wasser zu Wein, aber immerhin ein einfaches Essen zu einem Festmahl. Das Radio ist das Ende der babylonischen Sprachverwirrung. Wo es spricht, riechen die Menschen den winterlichen Geruch von Linden mit Schnee gemischt. Chlebnikov, in der Erarbeitung seiner "Sternensprache" begriffen (ein etymologischer Steinbruch, aus dem eine vollkommen neue Sprache entstehen sollte), erträumte sich im Radio einen Verbündeten. So war er fest davon überzeugt, daß schon die Nennung von "li" und "sja" die Kraft von Bauarbeitern vervielfachen würde.
Ursendung: 17.05.1995
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