Staunend und anfangs ziemlich hilflos standen die Autoren der Weimarer Republik dem neuen Medium Rundfunk gegenüber, das seit dem Oktober 1923 Musik, Gedichte, Vorträge, Zeitansagen und Wetterprognosen in die Welt schickte. Manchmal wurde sogar eine Oper ausgestrahlt oder ein Schauspiel – in voller Länge, viele Stunden lang. Dann kamen die Programmverantwortlichen auf die Idee, eigene, kürzere Stücke eigens für die spezifischen Möglichkeiten des Mediums schreiben zu lassen. In Analogie zum Schauspiel nannte man diese fortan Hörspiel. Und nun entwickelte sich rasch der ganze Formenreichtum dieser neuen Kunstform. Es entstanden literarische, epische, dramatische und lyrische Hörspiele, Schallspiele, Zeitstücke und chorische Hörspiele. Und wie sich das Rundfunkprogramm insgesamt entwickelte, so entwickelte sich auch das Hörspiel. Es setzte sich mit seinen technischen Möglichkeiten auseinander: vom Tonfilm bis zur Wachsplatte, vom Studiogeräusch der Welte-Orgel bis zum Original-Ton. Und es war den Pressionen der Politiker und der Zensur ausgesetzt, wie alle anderen Sendungen auch. Wolfram Wessels zeichnet die Anfänge des Hörspiels nach, vom Sendebeginn 1923 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933.
Wolfram Wessels, geb. 1956 in Gießen. Redakteur, Journalist, Rundfunkhistoriker. Features, u. v. a. Ein Schmuck für Momente – Helmut Käutner und das Hörspiel (1986), Nun senden sie wieder – Hörspiele 1940–1950 (1994).
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