""Nordhausen ist ein kleiner Punkt im Weltall. Er bewegt sich mit rasender Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn – sofern man die Ellipsengesetze nicht kennt. Die exakte Geschwindigkeit von Nordhausen lässt sich allerdings nicht feststellen, außer man könnte von einem festen Bezugspunkt im All ausgehen. Doch den gibt es im Grunde genommen nicht.
Die Bewohner von Nordhausen rasen haltlos durch das All. Dennoch sind sie gebunden an diesen kleinen Ort im Norden Thüringens. Außer sie würden genug Muskelkraft besitzen, um ihn zu verlassen. Sie müssten nur schnell genug und hoch genug springen können, während es Nordhausen weiter durch den Kosmos treibt. Dann wären sie vielleicht entwischt.
Hier, mitten in Deutschland – und doch am Rande der medialen Aufmerksamkeit – gibt es Menschen, die hier weiterhin leben und auch unter Perspektivlosigkeit leiden. Das Land, in dem sie heute leben, hat die Gesetze nicht für sie gemacht. Das Land, in dem sie vorher lebten, tat das ebenso wenig.
"In diesem Niemandsland, meiner Heimatstadt Nordhausen, begebe ich mich gemeinsam mit den Menschen, die dort leben, auf ihre Umlaufbahnen ohne Bezugspunkt. Bereits 2005 widmete ich mich in einem Kurzhörspiel während meines Studiums dem Leben der Menschen in Nordhausen, um ihnen eine Stimme in künstlerischer Gestalt zu geben. Heute, sechs Jahre später, besuche ich sie erneut, um unsere Gespräche weiter zu vertiefen und ihre Wege weiter zu begleiten", erklärt die Autorin.
Luise Voigts Langzeitprojekt ist ein Glücksfall in Zeiten schnellen Produzierens. Und sie greift eine Tradition im Hörspiel auf, die den O-Ton grenzüberschreitend zum Feature als eine Möglichkeit des künstlerischen Ausdrucks nutzt und ihn in eine Kunstwirklichkeit überführt."
Luise Voigt geboren 1985 in Nordhausen/Thüringen, lebt in Berlin. Ab 2004 studiert sie Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen, unter anderem bei Heiner Goebbels. 2009 wurde sie Stipendiatin an der Akademie der Künste Berlin in der Sektion Film- und Medienkunst. Ebenfalls im Jahre 2009 entstand in Zusammenarbeit mit dem ZKM Karlsruhe die Musiktheaterperformance "an meiner statt". 2011 wurd sie mit ihrer Diplominszenierung "Exit Lear" für das Nachwuchsfestival Treibstoff in Basel ausgewählt.
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