Murphy ist der häufigste Nachname in Irland, ein Allerweltsname wie Müller im Deutschen. Und eigentlich müsste man sich bei Samuel Becketts gleichnamigem Roman – um die eigentümliche Komik des Originals zu spüren – immer Müller denken, wenn von Murphy die Rede ist. Becketts Held indes ist nun alles andere als ein Allerweltscharakter. Er ist gewissermaßen eine Übertreibung seines damals, im Jahr 1934 erst 28-jährigen Schöpfers Samuel Beckett selbst, der – wie Murphy – vor der Enge und Tristesse der irischen Wirklichkeit ins Londoner Exil geflohen war, um dort die Bürde seiner irischen Wurzeln loszuwerden. Während Beckett es mit Psychoanalyse und Schreiben probierte, schlägt Murphy den Weg einer konsequenten Entkörperlichung ein. Murphy lebt, abgetaucht und für seine irischen Freunde unerreichbar, in einer schwierigen Liebesbeziehung mit der Londoner Prostituierten Celia und frönt den Exerzitien einer radikalen Vergeistigung. Er ahnt nicht, dass das Böse, dem er für immer zu entrinnen trachtete, sich bereits auf die Suche nach ihm gemacht hat und in Gestalt seiner Ex-Geliebten, seines Professors und eines ehemaligen Dubliner Kommilitonen auf dem Weg nach London ist.
Samuel Beckett (1906-1989) wuchs in einem Dubliner Vorort auf und kam nach seinem Studium (Französisch, Italienisch und Neuere Literatur) als Englisch-Lektor an die Pariser Ecole Normale Supérieure. Während des Krieges arbeitete er in der Résistance, nach dem Krieg lebte er bis zu seinem Tode abseits der Öffentlichkeit in Paris. 1969 erhielt er den Nobelpreis.
Ursendung: 20.12.2014
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