Eine psychiatrische Einrichtung: Sie hängt in der kalten Schwebe zwischen einer Anstalt mit von gekachelten Bädern widerhallenden Geräuschen und einem modernen Gehäuse, das eine infantile Scheinwohligkeit vortäuscht und in dem alle Betreuer fröhlich wie zu Kindern reden. Zwitschernde, kreischende und wie Menschen sprechende Vögel sind gelegentliche Begleiter der Patienten. Zeigen sie sich, gelingt es den Patienten, von ihrem Irr-Sinn abzulassen. In diesen Momenten sind sie von einem starken freiheitlichen Sehnen erfüllt, das keineswegs verrückt ist. Das Gebrabbel, das Sprechen und die Gesänge der Patienten vereinigen sich dann unerwartet wider ihre eigensüchtigen Zwänge zu einem gemeinschaftlichen Chor, der jedoch immer wieder rasch auseinanderfallen kann. Ihm steht, natürlich, die Welt der Pflegekräfte und Ärzte gegenüber. Sie leben in einer vernunftorientierten und deshalb ungleich besser gemeinschaftlich zu organisierenden Wirklichkeit, der aber vielleicht die Sprengkraft der Poesie fehlt.
Sibylle Lewitscharoff erzählt von der Sehnsucht der Patienten nach einer anderen, befreiten Welt, die aber nichts mit der aus "Einer flog über das Kuckucksnest" gemeinsam hat. Diese Welt zeigt sich einfach, um dann sogleich wieder zu verglühen.
Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart geboren, ist Autorin zahlreicher Radiofeatures, Hörspiele und Romane. Sie studierte in Berlin Religionswissenschaften und lebte, u. v. a. in Buenos Aires und Paris. 2013 wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Ursendung: 26.03.2015
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 12.04.2018
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