""Thomaskantor unter Mordverdacht!" hätte eine berühmte Skandal-Postille vermutlich getitelt, wäre sie vor 275 Jahren schon auf dem Markt gewesen. Tatsächlich musste sich Johann Sebastian Bach im Herbst 1734 eine polizeiliche Untersuchung gefallen lassen. Der Leipziger "Senior Stadtmusicus" Gottfried Reiche, Bachs Lieblings-Trompeter, war am 6. Oktober im Stadtpfeiffer-Gässchen tot aufgefunden worden. Am Abend zuvor hatte er noch - im Beisein des neuen sächsischen Kurfürsten - Bachs eigens für das Festkonzert komponierte Kantate "Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen" mit uraufgeführt. Ob Reiche, am Kopf verletzt, durch Sturz oder Schlag zu Tode kam, war nicht ersichtlich. Wohl aber, dass Bach von Reiche in den Tagen vor dem Konzert unablässig neue Proben verlangt hatte. Unzufrieden mit Reiches Leistung, hatte Bach getobt und sein Bild am Dresdner Hof, womöglich seine Stellung und Karriere beschädigt gesehen. Grund genug für einen Streit mit tödlichem Ausgang?"
Torsten Enders, geboren 1954 in Altenburg/ Thüringen, nach dem Studium der Theaterwissenschaft seit 1978 Dramaturg beim Rundfunk. Lebt in Berlin. Autor mehrerer Hörspiele und Features ("Kein Wort von Einsamkeit", "Das tonlose Spiel", "Dorns Tiefland", "Brückenschlag") sowie von Filmen ("Trutz") und Theaterstücken ("Kanzelkarl", "Kowatz").
hoerspielTIPPs.net:«Dass Torsten Enders ein Händchen für Krimis hat, beweist er als Verantwortlicher der Krimiredaktion beim Deutschlandradio Kultur, deren montäglicher Hörspieltermin meines Erachtens derzeit das Maß aller Dinge bei den Kriminalhörspielen ist. Aber er belässt es nicht nur beim Aussuchen, er schreibt auch seine eigenen Hörspiele, leider viel zu selten. Immerhin - im Jahr 2009 gab es diese Produktion nach seinem Skript.
Enders erzählt dabei von den Ermittlungen im Umfeld Johann Sebastian Bachs. Er legt seinem Stück eine wahre Begebenheit zu Grunde und schildert die Ermittlungen, die Reichs Konkurrenten Bamberg, seine Haushälterin Rieke aber auch eben Bach selbst, als Verdächtige im Fokus haben. Es gibt vielfältige Motive, aber eben auch keine klaren Hinweis, ob es Mord oder ein Unfall war. Natürlich fanzsiniert die Geschichte auch durch die bekannte Persönlichkeit, die hier beteiligt ist. Enders baut die Geschichte auch entsprechend auf, so dass dieser Richtung ordentlich Nahrung gegeben wird. Das Ende bleibt zwar faktisch offen, die Art, wie der Abschluss des Verfahrens herbeigeführt wird, favorisiert aber einen Verdacht.
Die Umsetzung ist sehr gelungen. Natürlich wird sie von der Musik Bachs getragen, die allerdings in der Handlung eingebunden, und nicht als Kulisse verwandt wird. Als Sprecher hat man für die beiden Protagonisten zwei exzellente Sprecher verpflichtet: Otto Sander und Thomas Thieme. Nicht nur sie sorgen dafür, dass dieses Stück so lebendig und glaubwürdig wird.
"Bachs Reiche" ist ein gelungener historischer Krimi, der eine reale Tat und das anschließende reale Ermittlungsergebnis zur Grundlage nimmt, um dazwischen einen spannenden Krimi zu erzählen. Da darf man gerne einschalten!»
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