Sie sind Architekten, Unternehmer, Lebenskünstler oder Bankrotteure. Sie stehen im Leben, manchmal daneben, wissen um die Anforderungen des Alltags und um ihre verlorenen Ideale. Sie sind Großstädter mit mehr oder weniger intakten Erwerbsbiographien. Karsten und Sandra, Tine und Normann, Sven, Johannes, Ueli oder Gebhart. Und so heterogen ihre Werdegänge sind, so unterschiedlich ihre Geschichten sich anhören, eines schweißt sie zusammen: sie sind anders als ER, der alte Freund, der es inzwischen zu sehr viel Geld gebracht und jetzt eine Einladung ausgesprochen hat. Für ein paar Tage soll es in seinem luxuriösen Ferienressort zum Wiedersehen kommen. Eine Gelegenheit, die sie, die Normalverdiener, einfach nicht ausschlagen können. Und die Chance, sich diese Welt der spekulativen Großgeschäfte, des Luxus und des unstillbaren Narzissmus einmal aus der Nähe anzusehen. Doch anders als erwartet bleibt der großzügige Gastgeber meistens abwesend. Er entzieht sich den Freunden, denen so nichts anderes übrig bleibt als über ihn zu reden und dabei vor allem sehr viel von sich selbst zu verraten. Die behauptete Distanz zum größenwahnsinnigen Geschäftsmann wird in ihren Reden genauso relativ wie der vermeintliche Abstand zur narzisstischen Selbstbespiegelung. Letztlich erweisen sich die Normalverdiener, die sich so gerne als Opfer sehen würden, längst als Teil des Systems, das sie vordergründig verurteilen. Die Fähigkeit, die Umwelt und sich selbst mehr oder weniger unverzerrt wahrzunehmen, ist ihnen nämlich genauso abhanden gekommen wie ihrem alten Freund. Als sich diese Umwelt in Form äußerst katastrophischer Realität ins Bild vom Ferienidyll zu schieben beginnen, sind die Normalverdiener schon lange keine Opfer mehr. "Ein Stück, in dem das Reden über Geld mit dem Schweigen über Geld zusammenkommen soll, eine Beschwörung der Finanzkraft von Seiten des untergehenden Mittelstandes, eine Verdrehung der Opfer-Täter-Optik, wie es nur in diesem Milieu vorkommen kann. Ein Stück, in dem die Rede über Märkte andauernd vorhanden ist, auch wenn es scheinbar um anderes geht, in dem die Marktfiktionen ohne banale Offensichtlichkeit ihre Arbeit verrichten können, ein Stück, in dem sich auf atopische Weise die Psychologie dieser Märkte mit ihren Störungsformen zeigt und wie sie längst in einer unheimlichen Machstruktur aufgehen." (Katrin Röggla)
Kathrin Röggla, geb. 1971, österreichische Autorin. Prosa, Theatertexte, Essays. Theaterstücke, u. v. a. "die beteiligten" (2009), "worst case" (2010, Nestroy-Theaterpreis Bestes Stück - Autorenpreis). BR-Hörspiele, u. v. a. "really ground zero - anweisungen zum 11. september" (2002, Radio-Preis der RIAS Berlin Kommission 2003), "die alarmbereiten" (2009, Hörspiel des Monats August 2009), "publikumsberatung" (2011, Hörspiel des Monats Januar 2011), "die unvermeidlichen" (2012), "Lärmkrieg" (2014).
🔥 Hörspiel des Monats Juli 2016
Vorstellung im OhrCast
Ursendung: 03.07.2016
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 20.02.2019
📥
Link zum Download
...