Mit dieser Frage kündigte der Bayerische Rundfunk 1970 das erste Hörspiel Helmut Heißenbüttels an: Zwei oder drei Porträts. Der Büchner-Preisträger hatte nämlich der Hörspielredaktion – zu der Zeit noch eine kleine Provokation – nur eine Ansammlung von Sätzen geliefert, auf beliebig viele Sprecher zu verteilen: keine Rollen, keine Handlung, sondern nur Gerede, unbestimmte Aussagen, stereotype Beschreibungen, Widersprüche und Wiederholungen. Die Redefetzen scheinen zuerst einen Kunstkritiker zu umkreisen, dann eine zweite Person, einen jungen Maler, und anschließend stellte Heißenbüttel die Frage, ob sich "vielleicht aus Teilen dieser beiden Porträts ein noch künstlicheres drittes bilden" ließe.
Als die Produktion dann überraschend den renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielt, bestand Heißenbüttel darauf, dass der Dramaturg Hansjörg Schmitthenner und der Regisseur Heinz Hostnig mit ihm gemeinsam als Autoren ausgezeichnet wurden, denn die beiden hatten – mit Schere, Klebstoff und stereophoner Phantasie – aus dem Textmaterial heraus tatsächlich zwei Porträts und nebenbei ein neues drittes entstehen lassen: ein ernstes und amüsantes Spiel mit den Mechanismen unseres tagtäglichen Sprechens und mit der Illusion von der Identität des Subjekts, das in seinen satirischen Obertönen auch die kulturpolitische Situation um 1968 anklingen ließ.
Zwanzig Jahre nach dem Tod von Helmut Heißenbüttel, der in Theorie und Praxis die Entwicklung des Hörspiels in der Bundesrepublik maßgeblich geprägt hat, werden die Zwei oder drei Porträts noch einmal zur Diskussion gestellt: in der Originalversion von 1970 mit einem kurzen Essay von Klaus Ramm, der die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte nachzeichnet, und vor allem in einer neuen, aktuellen Fassung. Wie sieht im Jahr 2016 ein Hörspiel aus, das sich noch einmal auf Heißenbüttels Versuchsanordnung einlässt und das im Archiv entdeckte und rekonstruierte Ausgangsmaterial von damals verwendet?
Zur Ursendung sendet BR 2 noch die Vorrede Heißenbüttels (BR 1970), einen Zwischenbericht von Klaus Ramm (BR 2016) und Nachbemerkung von Ulrich Lampen (BR 2016).
Helmut Heißenbüttel (1921-1996), Autor und Hörspieltheoretiker. Konkrete Poesie und experimentelle Prosa, u. v. a. D´Alemberts Ende (1970), Das Durchhauen des Kohlhaupts (1974). Hörspiele, u. v. a. Was sollen wir überhaupt senden? (SDR 1970), Mein Name ist Ludwig Wittgenstein oder Die Chimäre (WDR 1975), Warzen und alles (SWF 1980), Wenn Adolf Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte (BR 1997).
Ursendung: 16.09.2016
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 16.09.2016
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