Bis er sie sah, hatte sie ihn schon gesehen. Als sein Blick sie erreichte, war ihr Blick schon auf ihn gerichtet. Das fand statt am Kreuzbrunnen, nachmittags um fünf, am 11. Juli 1823 in Marienbad." Mit diesen Sätzen beginnt Martin Walsers Roman über jene letzte Liebe Goethes, der sich die Marienbader Elegie verdankt. Der 73-jährige Geheimrat liebt die 19-jährige Ulrike von Levetzow. 54 Jahre Altersunterschied trennen die beiden, aber Goethe sagt sich: "Meine Liebe weiß nicht, dass ich über siebzig bin. Ich weiß es auch nicht." Blicke werden getauscht, Worte gewechselt. Doch schließlich holt sein Alter ihn ein. Auf einem Kostümball stürzt er, und bei einem Tanztee will ein Jüngerer die Ersehnte verführen. Der Heiratsantrag, den er trotzdem macht, erreicht sie erst, als ihre Mutter mit ihr nach Karlsbad weiterreisen will. Goethe schreibt die "Marienbader Elegie".
Martin Walser, geboren 1927. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter den Georg-Büchner-Preis (1981) und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1998).
Friederike Roth, geboren 1948, schrieb Lyrik, Prosa, zahlreiche Theaterstücke und Hörspiele. Ingeborg-Bachmann- Preis (1983) und Hörspielpreis der Kriegsblinden (1985).
hoerspielTIPPs.net:«Martin Walser erzählt die Geschichte der letzten Liebschaft Goethes. Der greise Dichter und seine jugendliche Freundin Ulrike sind aufgrund des Altersunterschiedes ein ungewöhnliches Paar, was das Besondere dieser Geschichte ausmacht. Diese Liebe wird natürlich von Außen argwöhnisch betrachtet, was hier allerdings nicht das zentrale Moment ist. Vielmehr sind die Probleme im Fokus, die Goethe hier im Umgang mit der Situation selbst hat.
Die Inszenierung ist eher zurückhaltend. Hauptsächlich sorgt die Sprache dafür, das die Handlungszeit gut transportiert wird. Allerdings empfand ich sie, für die Erwartungen, die man an Walsers Werke knüpft, nicht immer geschliffen genug.
Das Sprecherensemble bewegt sich hier in den engen Grenzen, die die Steifigkeit jener Epoche mit sich bringt. Große Emotionen gibt es mehr inhaltlich, als formal.
Insgesamt ist "Ein liebender Mann" nicht uninteressant. Allerdings ist der Plot nicht so spektakulär, dass er die Trägheit, die hier grundsätzlich hineingehört, wettmachen könnte.»
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