Zu seiner Radioarbeit für eine Schauspielerin notiert Oswald Egger: "Vom Welken, Verdorren und Wiederstraffwerden der Blätter erzählt eine einzige Stimme: Ereignishafte, doch eigenlose Begebenheiten, wie leere Träume, die unter dem Baumlaub nisten als flüchtiger Windgott. Hallige Zwischenfälle, ein ganzer Archipel von unverstummten Zeitinseln, die auftauchen, erscheinen und verschwinden, raue Schären in einem Meer von Geschichten. Die Rede ist eine vielgestaltig verschossen geflochtene, unauflöslich wortknotige Schnur als Knotenlinie von Vernotungen – in einem Monolog von leblos lebendigen Vorkommnissen davon. Wie ein Echo, das seine Silben wiederholt und, auf Lücke gesetzt, pausenlos verschränkt und selbstlaut verschluckt, stimmhaft. Unentwegt kommt dabei zur Sprache, was nicht gesagt ist, was als Inversion der Stille jetzt hörbar wird, wortwörtlich: Das Blatt hat sich gewendet, man sagt, es ist Herbst geworden, die rastende, gesättigte Zeit ohne Zeit, oft schotenförmig eingerollt, verbräunt, gilb und falb, bis alle Häufungen und Annahmen zueinander ausgesprochen anklingend und stimmig sind: als Laub voll Trauer, ohne Ort und Jahr, und wie die Erinnerung der Blätter an den Baum."
Oswald Egger, geboren 1963 in Südtirol, lebt als vielfach ausgezeichneter experimenteller Lyriker in Hombroich bei Neuss und in Wien. Seit 2011 ist er Inhaber der Professur "Sprache und Gestalt" an der Muthesius Kunsthochschule Kiel.
Ursendung: 27.10.2016
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