Eine Brunnenhalle – sie könnte in Baden-Baden oder in Marienbad zu finden sein. In jedem Fall ist dieser Ort ein modern gehaltenes Jenseits. Er gleicht einem luxuriösen Badeort. Die Brunnenbesucher sind Lethetrinker und wandeln umher, vom Vergessen heimgesucht. Beäugt, bewacht werden sie vom Wärter des Brunnens, dem ein Chor zur Seite steht. Ein Mann, von Beruf Künstler, will von dort seine Geliebte herausholen. Gemeinsam mit einem zufällig zur selben Zeit eintreffenden Handwerker namens Karl verlangt er Einlass in die Brunnenhalle. Während man Karl den Zugang gewährt, wird er dem Künstler so lange verwehrt, bis er einen kleinen Skandal provoziert. Was dann geschieht, ist eine Geschichte von Liebessehnsucht, Männerfreundschaft, Verrat und Begehren: Ein Pokerspiel entscheidet über das Schicksal der beiden Männer, die Frau des Künstlers erinnert sich wieder ihrer Liebe und am Ende wird Karl über die grausame Methode des Water-Boardings zum Bleiben gezwungen. Wer will, kann hier noch den alten Mythos von Orpheus und Eurydike durchs Brunnenwasser schimmern sehen.
Sibylle Lewitscharoff, geboren in Stuttgart, lebt als Schriftstellerin in Berlin. Für ihre Romane –, u. v. a. "Apostoloff " (2009), "Blumenberg" (2011), "Killmousky " (2014) – und Essays erhielt sie zahlreiche bedeutende Literaturauszeichnungen, so 2013 den Georg-Büchner- Preis. Im September 2016 erscheint ihr neuer Roman "Das Pfingstwunder". Gelegentlich schreibt sie Hörspiele, zuletzt "Vogelzug" (SWR 2015).
Ursendung: 24.11.2016
...