Frau Gerstwenger ist 75 und lebt in einem Seniorenheim. Ob sie verwirrt ist oder nicht lässt sich nicht so leicht sagen, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Sie vergisst allerdings manches, manchmal vergisst sie alles - und füllt die Lücken mit immer neuen Geschichten. Mit erdachten und erlebten Geschichten, die sich gleichwertig nebeneinander stellen.
Frau Gerstwenger hängt der Vergangenheit nach und ist gleichzeitig froh, dieser entgangen zu sein. Für Lisa, ihre Pflegerin und den Installateur Benedikt, der vielleicht Lisas Bruder ist, erinnert sie sich, spinnt ihre Geschichte weiter, erzählt von den vergessenen Kindern und von den Männern, die sie nie vergessen konnte. Am Ende sperrt Frau Gerstwenger sich ein. In ihrem Zimmer. Allein mit Benedikt. Sie hat Absichten.
Benedikt entkommt ihr, mit lackierten Fußnägeln und einem, von der alten Dame in ihm entfachten, Gefühl für Lisa.
Die österreichische Autorin Bettina Baláka hat ein bedrückend-berührendes Spiel mit der Erinnerung, dem Vergessen und dem, was dazwischen liegt, geschrieben. Sie gibt den Geschichten, den Kleinigkeiten, die ein Leben zu füllen vermögen, Raum. Ebenso wie den abwegigen Gedanken, die auch - und gerade - in einem Seniorenheim gedacht werden wollen.
hoerspielTIPPs.net:«Es ist eine sehr merkwürdige Geschichte, die uns Bettina Balàka da erzählt. Es beginnt recht klischeehaft mit einer Seniorin, die in einem Heim etwas hilflos den Machenschaften der Schwesternschaft ausgeliefert ist. Dazu wird ihre Wohnung noch renoviert, der Handwerker Benedikt ist der Halbbruder von Pflegerin Lisa, was zu einem Geklüngel der beiden führt. Dann kippt die Situation aber, Frau Gerstwenger nimmt Benedikt gefangen und will ihn zum Sex mit ihr überreden. Es bleibt dann aber bei einer Fußmassage. Frau Gerstwenger erzählt aus ihrem Leben. Was davon wahr ist, was erfunden, weiß man nicht so genau.
Das Stück ist originell und zieht den Hörer recht schnell in den Bann - was hauptsächlich der gelungenen Erzählung und später auch der sich ergebenden ungewöhnlichen Konstellationen geschuldet ist. Das Hörspiel lässt allerdings ein paar Fragen offen, einen in allen Punkten runden Abschluss gibt es hier nicht.
Das Stück lebt von einem sehr guten Spiel der drei Akteure, allen voran Erni Mangold, die diese ungewöhnliche und facettenreiche Rolle der Frau Gerstwenger sehr gut zu verkörpern weiß.
Ein ungewöhnliches Hörspiel mit vielen unterschiedlichen emotionalen Momenten. Hätte man das Ende noch ein wenig griffiger gestalten können, wäre auch noch ein Wertungspunkt mehr drin gewesen.»
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Vorstellung im OhrCast
Ursendung: 30.11.2010
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