Andreas Ammer über sein Hörspiel: "Die Revolution ist das Erwachen", sagt Benjamin und schluckt 1940 an der spanischen Grenze auf der Flucht vor den Deutschen 35 Morphiumtabletten. Der Tod durch Atemdepression tritt 24 Stunden später ein. "Die Benjamin Loops", O-Ton-Oper und Manifest zugleich, rekonstruieren unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter Walter Benjamins letztes, prophetisches Delirium. Sie wollen: "Die Kultur der technischen Reproduzierbarkeit reproduzieren" - das heißt: Die Musik der Benjamin-Leser, der 68er Pop, wiederholt sich ins Uendliche. Währenddessen betätigen sich von Adorno bis Bloch alle Mitglieder der Philosophen-Band auf ihren hinterlassenen "Benjamin-Tapes" als Erinnerungskünstler. Die Säulenheiligen Lenin und Chaplin singen im O-Ton aus dem Jenseits herüber. Unterhaltungsindustrielle wie Heiner Müller oder Laurie Anderson erzählen melancholisch von der Revolte ("this is a story of destruction"). Dann schon lieber: "Die Aura verfallen lassen" - das heißt: Die ewige Wiederkehr jener alten "Loops" wird überwuchert von Beatbox und präparierten Gitarren (gespielt von Fred Frith). Weil aber Benjamin gar nicht wirklich gestorben ist, können wir Lieder davon singen, wie ihn CIA-Agenten in einer schwarzen Limousine an der spanischen Grenze abgeholt haben, und wie kompliziert er heute noch im Copy-Shop seine Aufsätze reproduziert. Der Engel der Geschichte schüttelt rückblickend sein Haupt und ruft: "Vergeßt Benjamin!".
Ursendung: 15.07.1992
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