Shanghai - Wolfsgrub via Sibiria
1937 stirbt ein deutscher Schriftsteller sechsundvierzigjährig im Shanghaier Exil: Max Mohr, Jude, Arzt und erfolgreicher Dramatiker der zwanziger Jahre. Die Zeit seiner Emigration dauerte nicht länger als drei Jahre. 1934 verläßt er Deutschland und seine Werke werden verboten. In seiner künstlerischen Entwicklung jäh unterbrochen, kehrt er der Literatur den Rücken und versucht, sich als einer der vielen Emigranten-Ärzte in Shanghai durchzuschlagen, - jeden Tag von neuem auf "Patientenfang", wie er es nennt. Seine Frau Käthe und die damals acht Jahre alte Tochter Eva bleiben in Deutschland, in der Wolfsgrub, einem alten Hof, wo die drei zusammen gelebt haben, zurück. Das einzige, was sie weiter verbindet, sind ihre Briefe. Und so entstehen in den drei Jahren fast zweihundert Briefe, die Mohr von Shanghai via Sibiria in die Wolfsgrub schickt. Das Briefeschreiben ist für Mohr in dieser Zeit sowohl seine Literatur als auch seine Überlebensstrategie. Auf intensive Weise spiegeln die Briefe seine existentielle Gratwanderung wider, seine Angst und Sehnsucht in Richtung Heimat und seinen ungebrochenen Glauben ans Leben auf diesem wunderbaren, verirrten Stern. Mohrs Enkel, der Filmregisseur Nicolas Humbert, hat aus Fragmenten der zweihundert Briefe ein Hörstück zusammengefügt, das als eine Abfolge von Passagen und Momenten die Atmosphäre der drei Shanghai-Jahre Mohrs nachzeichnet.
Ursendung: 16.11.1997
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