Unter den nationalsozialistischen Feiertagen war der Tag der nationalen Arbeit einer der bedeutendsten. Die Nazis hatten, als sie 1933 die Macht übernahmen, den Kampftag der Kommunisten, Sozialisten und Gewerkschafter nicht etwa abgeschafft, sondern aufgewertet, einen gesetzlichen Feiertag daraus gemacht. Aus den Proletarier-Demonstrationen wurde ein Staatsakt. Nichts blieb dem Zufall überlassen, von der Mainacht der Hitlerjugend im Harz bis zur Mitternachtskundgebung in Berlin war jede Veranstaltung einer ausgefeilten Dramaturgie unterworfen. Und dieser "Dramaturgie der Wirklichkeit" hatte die "Dramaturgie des Rundfunks" bis auf die Minute zu entsprechen. Es sollte ein Gesamtkunstwerk nationalen Ausmaßes entstehen. Die Arbeiter, um die es ging, waren darin nur Statisten. Am Tag danach, am 2. Mai 1933, wurden ihre Gewerkschaftshäuser besetzt, ihre Bewegung zerschlagen. Doch der 1. Mai sollte weiterhin alljährlich als Gesamtkunstwerk inszeniert werden, auf Straßen und Plätzen - wie im Rundfunk, wo das Programm eines ganzen Tages dramaturgisch durchgestaltet wurde, von den Reportagen über die Nachrichten, die Musikauswahl bis zum Hörspiel. Der 1. Mai im Radio - das Hörspiel eines ganzen Tages. Ein gut dokumentiertes dazu. Ich möchte versuchen, mit Hilfe der erhaltenen Aufnahmen dieses Hörspiel akustisch zu rekonstruieren" (Wolfram Wessels).
Wolfram Wessels, geboren 1956 in Gießen, lebt in Mannheim. Promotion über "Hörpiele im Dritten Reich". Kurt Magnus Preis 1988. Arbeitet als freier Rundfunkjournalist.
Ursendung: 01.05.1996
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