Der Erzähler ist ein alter Mann, ans Krankenbett gefesselt, neben sich Stapel von Zetteln und Büchern - Vorarbeit für ein Werk über die Rolle der Kunst und ihr Scheitern im Zeitalter kommerzieller Reproduzierbarkeit und Verwertung. Immer wieder greift er in sein Archiv, immer öfter greift er daneben, die herbeizitierten Autoren machen sich selbständig und fallen sich gegenseitig ins Wort. Um das Chaos perfekt zu machen, sucht der Held in komischer Verzweiflung nach der eigenen Identität. Er glaubt, einen Doppelgänger zu haben, der ihm seine Gedanken gestohlen hat. Was ist überhaupt noch authentisch? Das angesammelte Wissen erweist sich als undurchschaubar - jedes der Zitate dreht seine grimmige Argumentationskette ("that´s what it´s all about") in eine andere Richtung... In dem Maße, wie er scheitert, beginnt das Staunen über die Vielfalt und die Kraft künstlerischer Entwürfe. Ein Paradox, das den Monolog über die Sinnlosigkeit der Kunst ad absurdum führt... Gaddis große polyphone Romane und sein letzter vierstimmiger Monolog weisen ihn als Komponisten komplizierter Sprachgebilde aus. Gaddis kam aus einer Musikerfamilie und fühlte sich zeitlebens herausgefordert, Sprache als musikalisches Material zu behandeln. Klaus Buhlert komponiert mit der virtuos eingesetzten Stimme Ignaz Kirchners als Instrument rhythmisch wie motivisch den Text und seine emotionalen Schichtungen zu einem genau strukturierten Hörstück mit immer wiederkehrenden Motiven, das die widerstreitenden Themen in kunstvolle Beziehung zueinander bringt und Unvereinbares in der Komposition aufhebt.
William Gaddis (1922-1999) hat nur vier Romane geschrieben. Sein Thema: die groteske Größe des Geschwätzes. Gaddis hat sich das Schreiben nicht leicht gemacht - das Leben auch nicht. Die Gläubigen der Literaturkirche haben lange geschmollt. Dann haben sie ihm zweimal die höchste literarische Auszeichnung der USA verpaßt - den National Book Award.
Ursendung: 13.03.1999
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