Thematischer und formaler Ausgangspunkt für "Speicher" ist "VariaVision - Unendliche Fahrt", die 1965 realisierte, heute verschollene intermediale Arbeit von Alexander Kluge (Texte), Edgar Reitz (Filme) und Josef Anton Riedl (Musik) zum Thema des Reisens.
"VariaVision" versuchte als Rauminstallation durch die gleichzeitige Vorführung und Wiedergabe von Filmen, mehrkanaliger Musik und Sprache eine neue und andere Wahrnehmung von Musik, Film und Text zu verwirklichen. Reitz und Kluge unterrichteten damals an der internationalen Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm, die in der kurzen Zeit ihres Bestehens zwischen 1955 und 1968 maßgeblich die deutsche und internationale Design-, Kunst- und Mediengeschichte geprägt hat. Die HfG führte als private Hochschule, getragen durch die Geschwister-Scholl-Stiftung, die gewaltsam beendete Tradition des Bauhauses fort und definierte für die BRD die Begriffe Moderne/Utopie/Gestaltung/Alltagskultur/Erziehung/frühe digitale Kultur im Sinne eines demokratischen und ästhetischen Neuanfangs in Deutschland nach 1945, zwischen Utopien und Realitätssinn. So befand sich in der Hochschule ab 1963 eines der ersten elektronischen Studios in Westdeutschland, das 1959 in München gegründete Siemens-Studio für elektronische Musik. Das Studio mit seinem Versprechen von neuen, rein elektronisch erzeugten Klängen, wurde seinerzeit sehr erfolgreich international von Komponisten und Musikproduzenten genutzt, heute ist es im Deutschen Museum München ausgestellt. Riedl realisierte in diesem Studio die Musik für "VariaVision".
Für "Speicher" hat Michaela Melián das Studio im Deutschen Museum München noch einmal zum Klingen gebracht. Diese Klänge, Töne, Geräusche wurden aufgezeichnet und bilden die klanglichen Basisbausteine für eine neue Komposition. Zudem befragt Melián Edgar Reitz und Josef Anton Riedl zur Entstehung von "VariaVision", und verschränkt die Aussagen mit neuen Texten zu Reise und Bewegung. In tönenden Schleifen und Spiralen verschränken sich Erzählungen und Zeitebenen mit dem Heute.
In den Münchner Kammerspielen entsteht während des Festivals "DOING IDENTITY-BASTARD MÜNCHEN" (26.01.-08.03.08) mit Speicher eine Raumsituation, die die Konzeption von "VariaVision" mittels Projektionen und Wandzeichnungen, Stimme und Musik aufgreift, in der die Besucher sich als Teil derselben dynamisch wahrnehmen, in der der Standpunkt des Publikums nicht definiert ist.
Michaela Melián, geb. 1956, lebt in München und Hamburg. Künstlerin, Musikerin. Studium der Bildenden Kunst und Musik in München und London. 1980 Mitbegründerin der Band F.S.K. Seit Mitte der 1980er Jahre Arbeit als Künstlerin, Musikerin und Dozentin an verschiedenen Universitäten. Seit 2010 Professorin für zeitbezogene Medien an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Ausstellungen im Kunstraum München, Kunstwerke Berlin, Kunstverein Graz, Cubitt Gallery London, Ulmer Museum, Galerie Karin Guenther Hamburg, Lentos Museum Linz, glasmoog/KHM Köln, Ludlow 38 New York, K´Zentrum Aktuelle Kunst, Bremen. Auszeichnungen: Förderpreis im Bereich Bildende Kunst der Landeshauptstadt Mün- chen (1994), Kunstpreis der Stadt München (2010), Kunstpreis der Stadt Nordhorn (2011). Hörspiele: Föhrenwald (BR/kunstraum muenchen 2005, Hörspielpreis der Kriegsblinden, Deutscher Hörspielpreis der ARD, ARD Online Award), Speicher (BR 2008, Hörspiel des Jahres), Memory Loops (BR/ Kulturreferat München 2010, Hörspiel des Jahres, Grimme Online Award 2012).
hoerspielTIPPs.net:«""Radio an! Das Hörspiel des Jahres 2008" läuft!"
Mein Optimismus bekam nach wenigen Minuten erste Risse, nach zehn Minuten ging er schlafen und ließ mir stattdessen Kopfschmerzen zurück.
Bei aller Liebe, nichts gegen experimentelle Hörspiele, nichts gegen Umsetzungen, die man in gewissen Kreisen als "künstlerisch wertvoll" betrachtet. Aber selbst dem verschrobensten Kunstkopf muss doch dieses permanente Dauergedudel auf die Nerven fallen.
Inhaltlich hat dieses Stück sicherlich seine Berechtigung, aber Hörspiel ist mehr als literarische Texte auf merkwürdige Weise hörbar zu machen.
Ein "Hörspiel des Jahres" sollte anders klingen."»
🔥 Hörspiel des Monats Januar 2008
Hörspiel des Jahres 2008
hr 2 Hörbuchbestenliste Mai 2016
Vorstellung im OhrCast
Ursendung: 25.01.2008
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 03.06.2022
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