Rolf Dieter Brinkmann, in der Literaturgeschichte vor allem als Lyriker wahrgenommen, gilt als der deutsche Nachkriegsautor, der pop-literarische Forderungen nach neuen Schreibkriterien und neuen Zugängen zum eigenen Ich am radikalsten umsetzte. Brinkmann arbeitete als Autor, Herausgeber und Übersetzer und schuf in den knapp fünfzehn Jahren seiner Schaffensphase ein immenses Werk: eine Reihe von Gedichtbänden, Erzählungen, einen Roman, Hörspiele sowie zahlreiche Material- und Collage-Bände, die zum Teil erst postum veröffentlicht wurden. Darüber hinaus experimentierte er phasenweise mit visuellen und akustischen Medien: mit 8mm-Filmen, Fotografien und Tonbändern. Wörter Sex Schnitt präsentiert in einer fünfteiligen Reihe eine Auswahl von Originaltonaufnahmen aus dem Nachlass Brinkmanns. Sie entstanden zwischen Oktober und Dezember 1973 in Köln, als Brinkmann sich aus dem Literaturbetrieb zurückgezogen hatte und mit dem Mikrophon ein "atemloses Sprechen" erprobte. Die Themenkreise dieser Aufnahmen sind Lesern/Hörern aus Brinkmanns Büchern zum Teil vertraut: massive Attacken gegen den westdeutschen Nachkriegsstaat, gegen die Trostlosigkeit des deutschen Sonntags, Leben mit oder als Popkultur, Sex, Sprachkritik, Umgang mit Wörtern, Erinnerungen an Aufenthalte in Rom und London, Einbeziehung und Stilisierung der eigenen Privatsphäre ins Werk. Die mediale Herangehensweise ist einzigartig. Es gibt keine vergleichbaren Tonbandarbeiten deutscher Autoren, vor allem nicht in dieser ästhetischen Radikalität. Ins Mikrophon improvisierte Monologe, cut-up-inspirierte Montagen, selbst erzeugte Geräusche und deren Collagen, Straßenaufnahmen und Umfragen mit provokanter Fragetechnik kennzeichnen die Arbeiten Brinkmanns mit dem Tonbandgerät. Auch wenn Brinkmann selbst die Aufnahmen vor allem als Material betrachtet hat, das zu einem Bruchteil in die WDR-Sendung Autorenalltag einging, macht es aus heutiger Sicht Sinn, dieses "Material" als "Werk" wirken zu lassen. Die Aufnahmen sind intensiv von Brinkmanns Stimme geprägt. So unterschiedlich die Formen und Aufnahmesituationen sind - über seine Stimme vermittelt sich der Autor in seinen Reflexionen und Handlungen noch um eine Dimension authentischer als in seinen Büchern.
Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975), geboren in Vechta, tödlich verunglückt 1975 in London, absolvierte eine Buchhändlerlehre und studierte Pädagogik. Ab 1959 veröffentlichte er Lyrik in Zeitungen und Zeitschriften, ab 1962 Gedichtbände, Hörspiele und Erzählungen
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