Am Ende ergeben die vielen Stimmen des Stückes eine einzige Person. Den vielen Stimmen entsprechen ebensoviele akustische Räume, in denen die Texte platziert werden müssen. Denn heute regieren die Räume, was und wie gesprochen werden kann. Arbeit, Leben, Liebe und Trauer sind streng getrennt auf einzelne Räume aufgeteilt. In sich getrennt muss die neoliberale Person der Dienstleistungsgesellschaft in diesen Räumen entsprechend funktionieren. Diese spezifische Personenkonstruktion bestimmt in meinem Hörspiel "Zimmerstunde." die Herstellungstechnik. Der Sprechakt der Frau wird in den künstlich hergestellten Räumen eingefangen und dort zurechtgeschneidert. Hier bestimmt der technisch generierte Raum das Sprechen, wie das in der Realität durch die erzwungene Verwirtschaftlichung des eigenen Schicksals erledigt werden muss. Mein Hörspiel überträgt den gesellschaftlichen Vorgang der Festsetzung der Person in sich selbst auf die Technik. So arbeiten sich ´die Stimmen´ der Person in jedem einzelnen Raum zur Erkenntnis voran, dass es im ganzen Leben nur darum ging, sich selbst zu verkaufen. Auch in der Liebe muss die Person sich eingestehen, dass das nicht anders war. Die Liebeleien der Zimmerstunden stehen für diesen Vorgang des alles erfassenden Selbstverkaufs, der belohnungslos nur mehr das Überleben sichern kann. Am Ende sind die einzelnen Raumtextkonstruktionen zu einem Hörpanorama aufgebreitet, in dem die Person aber dann doch einen Augenblick lang zu einem ungeteilten Selbst in einem dafür hergestellten Raum finden kann. Die radiophone Technik wird so zur subversiven Helferin einer Subjektwerdung. Die neoliberale Domestizierung der Person wird für einen Augenblick mit Hilfe der Technik überwunden." (Marlene Streeruwitz)
Marlene Streeruwitz, geboren In Baden bei Wien, zählt mit ihren ausdrücklich als feministisch ausgewiesenen Dramen und Erzählwerken zu den wichtigsten österreichischen Autoren.
Ursendung: 20.12.2018
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 25.03.2022
📥
Link zum Download
...