Kurz vor den Kommunalwahlen beschließt der Ministerpräsident mit seinen aufgeregten Kabinettskollegen eine Klausurtagung an einem einsamen Ort fernab jeglicher Zivilisation. Ein Wochenende lang wollen die Politiker unter einfachsten Bedingungen im Wald campieren, um so einen neuen kameradschaftlichen Geist zu entwickeln. Die großen Limousinen samt Fahrern und Persönlichen Referenten werden zurückgeschickt. Eine Hütte ist nirgendwo zu entdecken, stattdessen müssen Zweimannzelte aufgebaut werden, doch die lassen sich gar nicht so leicht errichten. Sie stehen schief und fallen immer wieder um.
Schließlich greift die Wirtschaftsministerin ein. Sie leitet privat ein Unternehmen und ist technisch versiert. Die Kultusministerin serviert leckere Salate aus Tupperschüsseln, die Herren Minister grillen und trinken Bier. Die Stimmung ist hervorragend, bis ein fernes, klagendes Heulen ertönt. Es kommt näher und näher. Die Kabinettsmitglieder rücken verunsichert zusammen, bis der Ministerpräsident mit belegter Stimme konstatiert: "Leut, i glaub, des isch en Wolf!"
Manfred Zach, geboren 1947 in Bad Grund, lebt heute in Empfingen und arbeitet als Schriftsteller. Studierte Jura in Heidelberg, war Ministerialdirigent, Regierungssprecher in der Späth-Ära. Als Zwanzigjähriger schrieb Manfred Zach sein erstes Buch - über Mao Tse-tung.
Später folgten Publikationen über politische Sachthemen und Fragen der politischen Kultur.
Ursendung: 05.05.2019
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