Wenn Adolf Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte. Das ist so eine Redensart bei uns geworden. Drückt sich Bedauern darin aus? Resignation? Überdruß? Vielleicht Kritik? Nein, nicht Kritik. Es geht uns ja gut. Wir, das heißt wir, die wir am Leben sind, haben ja alles, was man zum Leben braucht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind stabil, die Abschaffung des Geldes ist gelungen. Die Politik folgt den Grundsätzen der Vernunft und ist transparent für jedermann. Der Friede ist gesichert. Der Schlüssel zur Lösung aller Probleme, das wurde allmählich deutlicher, war einfach, aber schwer zu handhaben. Die Reduzierung der reinen Anzahl der Menschen auf die der Gutwilligen war möglich durch die systematische Kontrolle der Bevölkerungsgröße. Es mußte eine Bevölkerungssumme geplant werden,die dem wirtschaftlichen Plan genügte. Ich bin Jahrgang 21 und jetzt Mitte 80. Wie ich nicht weiß, wann ich sterben werde, weiß ich nicht, warum ich überlebt habe.
(Helmut Heißenbüttel).
Helmut Heißenbüttel hat den provokanten Text in den Siebzigern geschrieben. Eine Hörspielrealisation mit audiophonen Mitteln soll diesen für das Radio so wichtigen Autor posthum ins Blickfeld rücken.
Helmut Heißenbüttel, (1921-1996), studierte nach schwerer Kriegsverwundung Architektur, Germanistik und Kunstgeschichte. Von 1959-1981 leitete er die Abteilung Radio-Essay beim SDR. Für "Zwei oder drei Porträts" (BR/SWF/NDR 1970) wurde er mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet.
Ursendung: 31.10.1997
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