Anfang Dezember 1801 machte sich Friedrich Hölderlin von Nürtingen auf nach Bordeaux. Ihn trieb, wie er schrieb, "die Herzens- und die Nahrungsnot". In Frankreich hoffte er, endlich die Existenz aufbauen zu können, die ihm zu Hause immer versagt geblieben war. Die "Winterreise" sollte zum endgültigen Wendepunkt in seinem Leben und Schreiben werden: Das Vorhaben lässt sich gut an. Er wird freundlich empfangen und wohnt "fast zu herrlich". Doch schon nach wenigen Wochen lässt er sich wieder einen Pass ausstellen und kehrt zurück. Sein Zustand ist trostlos. Die Freunde in Stuttgart erkennen ihn schier nicht wieder. Er ist vollkommen erschöpft und erregt zugleich, "leichenblass, abgemagert, von hohlem wildem Auge, langem Haar und Bart, und gekleidet wie ein Bettler". Was bloß war geschehen? Über 200 Jahre später wandert Thomas Knubben auf Hölderlins Spuren von Nürtingen nach Bordeaux. In seinen Reisebericht fließen neben kulturgeschichtlichen und essayistischen Betrachtungen literaturwissenschaftliche Reflexionen über den Wandel der Hölderlin-Rezeption ein. Nebenbei liefert Knubben eine spannende Abhandlung über Bordeaux, das Anfang des 19. Jahrhunderts eine kosmopolitische Handelsstadt war. Ihr Reichtum basierte auf dem Sklavenhandel, die Kommunikationswege waren erstaunlich gut vernetzt. Könnte es sein, dass Hölderlin bereits in Bordeaux von der schweren Krankheit seiner Geliebten, Susette Gontard, erfahren hatte?
Thomas Knubben, geboren 1960 in Rottweil, lebt in Ravensburg und lehrt in Ludwigsburg als Professor für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule. In Tübingen und Bordeaux studierte er Geschichte, Germanistik und Empirische Kulturwissenschaft. Im Anschluss daran folgte eine Promotion in Essen. Darüber hinaus verfasst er Bücher, die eine literarische Verbindung zwischen Kulturgeschichte, Kulturmanagement und Kunst herstellen. "Hölderlin. Eine Winterreise" erschien 2011.
Ursendung: 08.03.2020
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 08.03.2020
📥
Link zum Download
...