Eduard und Michael haben gemeinsam in den 1990er Jahren Medizin studiert, waren dicke Freunde, bis sich ihre Wege trennten. Eduard betäubt heute als Schönheitschirurg die Angst seiner Klientinnen, alt und wertlos zu sein. Michael kommt aus Afghanistan zurück, er arbeitet für eine humanitäre Organisation - was er mitbringt, sind Geschichten von Gewalt und sinnlosem Sterben. Welten prallen aufeinander, als sich Eduard und Michael wiedersehen nicht nur politisch, sondern auch privat. Denn Eduard hat mittlerweile Charlotte geheiratet, die davor mit Michael zusammen war. Erneut ist Charlotte zwischen den grundverschiedenen Männern hin und hergerissen, ihr Kampf um Selbstbestimmung müsste einen radikalen Neubeginn einschließen. Kann sie ihn durchsetzen? So komfortabel ihr Leben in dem Haus ist, das sie und Eduard sich gerade im Berliner Westen gekauft haben, so unerfüllt und vor allem kinderlos ist es geblieben. Auch ihre Karriere als Sängerin stagniert, das ausstehende Comeback als Solistin in Haydns "Schöpfung" soll den beruflichen Neustart bringen. Und dann ist da noch Lilly, die junge Nachbarin, ebenfalls Medizinstudentin, in deren unbefangene Direktheit sich wiederum Eduard verliebt.
uf der Folie von Goethes "Wahlverwandtschaften" ruft Moritz Rinke nicht ohne Ironie noch einmal die Stellungskriege der alten Welt auf. Klassische Rollenbilder, der sichere Hafen emotionaler Verlässlichkeit und ritualisierte Konflikte helfen den Protagonisten durch den Tag. Doch es ist nicht ausgemacht, dass die Welt von gestern nicht unterm Strich die bessere gewesen sein wird. So steht man im Westend vor einem zitternden Remis: Es gilt, die solide Gegenwart ins Unendliche zu verlängern, da taugt die die erinnerte Jugend nur mehr für Sentimentalitäten oder um mit Eduard zu sprechen: "Mein Gott, das waren noch Zeiten, als man im ,Tipp´ inserierte!".
Moritz Rinke, *1967 in Worpswede, studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Er schrieb Kolumnen und Reportagen, u. a. für die "Süddeutsche Zeitung", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Die Zeit" und "Theater heute". Für seine Reportagen "Ein Tag mit Marlene" (1995) und über die Love Parade (1997) erhielt er jeweils den renommierten Axel Springer Preis. Mehrere seiner Stücke wurden für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. In der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute wurde "Republik Vineta" zum besten deutschsprachigen Stück der Spielzeit 2000/2001 gewählt. 2010 erschien sein Roman "Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel". "Westend" wurde 2018 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt.
Ursendung: 14.09.2020
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 14.09.2020
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