Logo

hoerspieltipps.net


Diese Seite benötigt zum Aufbau technische Cookies. Infos dazu in unserer Datenschutzerklärung.

mit der Fliehkraft

Originalhörspiel - ein Hörspiel von Ines Birkhan, Anne Bennent, Sainkho Namtchylak, EIG - ORF 2020


⏰ ca. 60 Min.

🎬 Regie: Ines Birkhan

🎼 Musik: Bertram Dhellemmes

🎤 Mit: Anne Bennent, Ines Birkan, Sainkho Namtchylak

Bei diesem Projekt wagt sich Ines Birkhan auf ein Terrain, das üblicherweise der Science-Fiction überlassen wird. Der Text ist eine lyrische Zukunftsvision.

Zunächst erscheinen die Stimmen zweier Frauen (Anne Bennent und Ines Birkhan) - die eine befindet sich in einem Raumschiff, die andere auf dem Planeten Mars. Beide halten sich während ihrer Konversation in isolierten Räumen auf, doch nach und nach strömen Geräusche und Stimmen aus dem Raumschiff und vom roten Planeten hinzu, bis es schließlich zu einem kompletten klanglichen Eintauchen in die Marswelt kommt (Sainkho Namtchylak). Bertram Dhellemmes Soundscape wird einerseits mit dem Widerhall von Science-Fiction Klassikern mit analogem Synthesizer spielen, andererseits einen Dialog zwischen Stimmarbeit und minimalistischer elektronischer Perkussion herstellen.

Erster Ausgangspunkt sind die vielfältigen realen Ansinnen, den Planeten Mars nicht nur aus wissenschaftlichem Interesse zu erkunden, sondern auch in Hinsicht auf Rohstoffausbeutung abzuklopfen, sowie die Idee, Mars in eine "zweite Erde" zu verwandeln. Letzteres wäre allerdings ein äußerst langfristiges Projekt. Das "Terraforming" würde nicht schnell vor sich gehen, sondern viele hundert Jahre in Anspruch nehmen, müsste doch zunächst die Dichte der Atmosphäre erhöht und mit Sauerstoff angereichert, die Oberflächentemperatur verändert und flüssiges Wasser verfügbar gemacht und ein planetares Magnetfeld erzeugt werden. Einer der glühendsten Fürsprecher der Marsbesiedelung ist der Unternehmer Elon Musk. Mit BFR (Big Falcon Rocket) soll 2022 ein erster bemannter Flug zum Mars stattfinden.

Als zweiten Ausgangspunkt greift Ines Birkhan die Theorie auf, dass Menschen nicht völlig ausgereifte, sondern im prä-adoleszenten Alter geschlechtsreif gewordene Primaten sind (Neotenie). Es gibt tatsächlich biologische Merkmale (großer Kopf mit verhältnismäßig flachem Gesicht, fehlende Körperbehaarung, aufgerichteter Gang, die Position des großen Hinterhauptslochs, ventraler Geburtskanal, nicht opponierbare große Zehen…), die für diese Theorie sprechen. Bisher konnte sie auch nicht vollständig widerlegt werden.
Diese zwei Elemente bilden starke Pole, die die Autorin zu einem spannungsgeladenem Textgeflecht zusammenführen möchte.

In "mit der Fliehkraft" geht es um eine poetische, stark körperbezogene Sphäre. Die Frau im Raumschiff erlebt physische Veränderungen und hat Informationen erhalten, wie diese Entwicklungen beim Eintritt in die Mars-Atmosphäre weitergehen werden. Trotzdem herrscht Unsicherheit an Bord. Ihre Verwandte auf dem Mars bestätigt die Informationen und zeichnet ihrerseits ein Bild vom Leben auf dem Planeten. Er ist offensichtlich zum Teil "terraformiert”, da es flüssiges Wasser, einen annehmbaren Atmosphärendruck und ein Magnetfeld gibt. Klar wird auch, dass sich die Lebensdauer der Menschen beträchtlich verlängert hat und, es als positives Ereignis oder sogar Ziel angesehen wird, wenn diese "zur Ruhe kommen" und "nicht viel anderes tun, als die großen Zehen zu drehen".
Der Text ist dialogisch und zyklisch gebaut und an manchen Stellen von einem sich wandelnden Refrain unterbrochen. Obwohl die Konversation der beiden Frauen formelhaft erscheint, leuchtet doch Sensuelles und persönlich Erlebtes hindurch. Auf dem Raumschiff gibt es ein U-Deck, aus dem Rufe dringen. Es sind Menschen, die auf den Polkappen siedeln werden, um Kohlendioxid und Sauerstoff aus dem Regolith zu schlagen. Nach und nach erhalten die ZuhörerInnen Einblick in die unterschiedlichen Lebensräume und -bedingungen der Marsbewohner.

Gegen Ende des Hörspiels zeichnet sich die vielbeschworene Evolution der Menschen auf dem Mars deutlich ab. Der "Gleichmut" der Älteren - ihre einfachen Lieder, der Zerfall von Sprache in vereinzelte, hängengebliebene Wörter, Silben und Buchstaben, Stimmen die den Grat zwischen tierischer und menschlicher Lautäußerung abschreiten - stellen die wichtigsten Elemente dar. Es ist eine ambivalente, durchaus musikalische Welt die von Anne Bennents, Sainkho Namtchylaks und Bertram Dhellemmes Klangvisionen geprägt ist.


Ursendung: 25.10.2020


...





Unterstützen Sie hoerspieltipps.net.
Haben Sie einen Fehler auf dieser Seite gefunden? Haben Sie Anmerkungen, Änderungswünsche zur dieser Präsentation des Hörspiels?
Schicken Sie mir eine Mail mit einem kurzen Hinweis. Vielen Dank!