Aus dem Brathähnchen wurde der Broiler. Kader, Brigade, Plaste und Poliklinik fanden Eingang in den DDR-Sprachalltag. Warum dann nicht gleich eine komplette eigene Sprache schaffen? Skurrile Phantasie oder praktikable Idee? Die DDR-Oberen unternahmen schließlich viele, oft verzweifelte Versuche, die Menschen von der Überlegenheit des Sozialismus zu überzeugen - und sei es auch gegen deren Willen. Zur Abgrenzung vom Klassenfeind - um eine oft benutze Formulierung im SED-Sprachgebrauch zu zitieren - galt es nicht allein, die territoriale Abschottung zu zementieren. Ebenso wichtig schien es den Machthabern, die ideologische Grenze in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. "Vorwärts immer, rückwärts nimmer!" Und das Rückwärtige, das war vor allem das Deutschtümelige. Das, was es zu überwinden galt. "Deutsch", als Begriff und Sprache, sollte deshalb weitgehend aus dem Alltag entfernt werden.
Sophia S., eine junge Journalistin, stieß bei Recherchen in den ehemaligen Rundfunkstudios Schwerin auf Unterlagen und Tondokumente des 1974 gegründeten Instituts für kreative Linguistik. In einer O-Ton Dokumentation versucht die Sendung, die Geschichte eines wohl einzigartigen Experiments zu rekonstruieren: Das Institut - mit Hauptsitz in Berlin - sollte "mittelfristig die Amtssprache Deutsch durch eine eigene, noch zu schaffende Nationalsprache ersetzen." Es ging darum, zu erforschen, ob man Kindern eine noch nicht existierende Kunstsprache als Muttersprache anerziehen kann. Aberwitzige und hanebüchene Gigantomanie oder zukunftsweisende Neuerung? Sprachbänder wurden aufgezeichnet, erste Lernexperimente mit ausgewählten Kindergruppen fanden statt. Das Projekt "Dederisch" war geboren. Und damit eine dieser DDR-Geschichten, die kaum zu glauben sind.
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