Im April des Jahres 1938 verurteilte das St. Galler Kantonsgericht den dreifachen Mörder Paul Irniger zum Tode. Unaufgefordert bewarben sich daraufhin über 120 Männer aus der ganzen Schweiz für das Henkeramt. Boris Pritzker, ein damals im Aargau tätiger Psychiater, sichtete die schriftlichen Offerten dieser selbsternannten Henker-Kandidaten, und es gelang ihm, mit der Mehrzahl von ihnen Interviews zu führen. Das Material dieser Untersuchung wurde 1993 aus Pritzkers Nachlass publiziert, und diente dem Zürcher ´Theater an der Winkelwiese´ als Basis für ein aufsehenerregendes Ensembleprojekt, welches seit 1998 mit grossem Erfolg in der Schweiz sowie auf europäischen Theaterfestivals gezeigt wurde. Dabei steht weder der dokumentarische Aspekt des historischen Falles noch der moralische Diskurs pro oder contra die Todesstrafe im Vordergrund. Vielmehr entsteht entlang der fiktiven Lebensläufe von fünf zutiefst helvetischen Henker-Kandidaten eine vielschichtige, poetisch gebrochene und nicht zuletzt elend komische Charakter- und Milieustudie. Im Nachvollzug der prototypisch verkorksten Biografien dieser Biedermänner wird auf beunruhigende aktuelle Weise die dumpfe alltägliche Bereitschaft zum Tötungsakt spürbar, denn: ´Einer muss es ja machen.´ Für die Hörspielfassung von DRS1 hat der Theaterleiter und Dramaturg Peter-Jakob Kelting den Theatertext inhaltlich und formal noch einmal neu arrangiert und akzentuiert. In den Doppelrollen von Befragten und Befragern agieren im Hörspiel die gleichen fünf Darsteller wie in der Bühnenfassung.
hoerspielTIPPs.net:«Fünf Bewerber stellen sich den Fragen eines Gremiums. Alle wollen den Beruf des Henkers ergreifen, motiviert durch einen grausamen Mord, der zu sühnen ist. Alle fünf Biographien sind ungewöhnlich, sie eint nur das eigene triste Schicksal. Die jeweilige Motivlage ist interessant und erschreckend zugleich, die Schilderungen der Lebensläufe interessant.
Besonders ist die Darstellung, die sich durch den Wechsel von Sprecher und Figuren ergibt. Dieser Kniff ist originell, für meine Begriffe ist er allerdings unnötig, da es dies als Mittel der Loslösung von Sprecher und Rolle nicht gebraucht hätte.
Man wollte hier bewusst, eine Moralfrage bezüglich der Todesstrafe vermeiden. Gerade dies hätte meines Erachtens jedoch das Stück noch interessanter gemacht. So ist es immer noch ein hörenswertes Stück, was für mich etwas unvollständig wirkt.»
🔥 Prix Europa 2002
Vorstellung im OhrCast
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 02.03.2018
📥
Link zum Download
...