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Der Mann, der den Zügen nachsah

Kriminalhörspiel - ein Hörspiel von Georges Simenon, SWR 1998


Nach Aussagen seiner Zeitgenossen ist Kees Popinga, 39, guter Ehemann und Familienvater, strebsamer Prokurist, ein ganz normaler Bürger. Zumindest bis zu dem Tag, an dem er durch den betrügerischen Bankrott seines Chefs sein gesamtes Privatkapital verliert. Dies ist der Tag, an dem Popinga sein bisheriges langweiliges Leben radikal hinter sich lässt. "Ja, will denn keiner verstehen, dass ich vorher nicht normal gewesen bin" – schreibt er in einem Leserbrief. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon Gegenstand der Schlagzeilen geworden. Simenon schuf einen Fall, der die üblichen Vorstellungen von Normalität ins Wanken bringt. Gibt es (gute) Gründe, kriminell zu werden? Hätte es denn Alternativen gegeben zwischen dem wunschlosen Unglück des Alltags und der Rolle eines gesuchten Frauenmörders?

Georges Simenon (1903 geboren in Liège, Belgien, gestorben 1989 in Lausanne) kam mit 19 Jahren nach Paris. Durch die Anregung der Schriftstellerin Colette entwickelte er seinen eigenen literarischen Stil und wurde einer der meist gelesenen Romanciers der französischen Literatur. Bereits im Alter von 28 Jahren schuf er seine berühmte Romanfigur: Kommissar Jules Maigret. Er schrieb fast 400 Romane, von denen es zahlreiche Verfilmungen gibt.

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«Ein Simenon ohne Maigret, dafür aber trotzdem mit einer sehr interessanten Geschichte. Vordergründig ist sie zwar dem Krimigenre zuzuordnen, hier steht aber mehr die Frage nach der Schuld eines Täters im Mittelpunkt. Die Unterschiede zwischen der Sicht der Dinge auf die Wahrheit aus dem Blickwinkel des Täters einerseits und der Außenwelt andererseits, sind die zentralen Punkte dieses Hörspiels. Simenon setzt hier weniger auf Spannung, sondern nutzt nur dramatische Eckpunkte und Verstrickungen, um dem Stück einen zusätzlichen Unterhaltungswert zu geben.

Die Umsetzung ist zunächst ein wenig spröde. Sie orientiert sich aber stark am Inhalt und setzt insofern auch deutlich mehr Akzente auf die interessante psychologische Komponente. Walter Adler schafft so eine gute Verbindung zur Geschichte selbst. Allerdings dürfte das diejenigen, die einen Standardradiokrimi erwarten, zunächst ein wenig befremden.

In der Hauptrolle überzeugt Christian Berkel, der den inneren Wechsel der Figur Kees Popinga sehr gut darzustellen weiß. Auch das übrige Ensemble überzeugt, alle Rollen werden von sehr guten Sprechern getragen.

"Der Mann, der den Zügen nachsah" ist ein empfehlenswertes Hörspiel, das sich zunächst ein wenig sperrig wirkt,. bei dem sich aber das "Dranbleiben" lohnt: Man wird mit einer sehr tiefgründigen Geschichte in stimmiger Inszenierung belohnt.»

Vorstellung im OhrCast

Ursendung: 12.04.1998

Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 20.05.2023

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