Carla Hühnerbein wird von ihren Übersetzungen der Komödien des Titus Maccius Plautus und den Kopfschmerzen abgehalten durch den Besuch eines ihr zunächst unbekannten Herrn: Federico Mayer, von Beruf Flötist. Ihre beiden schon erwachsenen Kinder, so hat Herr Mayer entdeckt, sind sich in einer Weise nahe gekommen, die der Vater einer Tochter nicht goutiert. Dennoch macht er Carla, einer geschiedenen Frau, Komplimente und Avancen. Einige Male sucht er Carla auf und erzählt ihr mehr und mehr aus seinem Leben. Er berichtet von einem Konzentrationslager in Dachau, wohin er mit sechs Jahren gekommen und wo er von einer deutschen Aufseherin gerettet worden sei, während seine Eltern dort umgekommen seien. Bei einem weiteren Besuch berichtet er von Frida, seiner jetzigen Frau, deren Geisteszustand jedoch reichlich instabil sei. Allmählich und immer deutlicher stellt sich die Frage, was Wahrheit ist und was Erfindung, was Obsession und was, trotz aller Lügen und Neurosen, doch so etwas sein könnte wie Liebe.
Dacia Maraini, Italiens wohl meistgelesene zeitgenössische Autorin, wurde 1936 in Fiesole bei Florenz als Tochter des Japanologen Fulvio Maraini geboren und verbrachte einige Jahre ihrer Kindheit in Japan ("Ein Schiff nach Kobe"). Bereits Ende der Sechziger Jahre wurde sie bekannt durch ihre kämpferisch-feministischen Romane und Theaterstücke ("Ein Zug nach Helsinki", "Dialog einer Prostituierten mit ihrem Klienten"). Später wandte sie sich den weit zurückreichenden Wurzeln ihrer Familie zu. Mütterlicherseits dem alten sizilianischen Geschlecht der Alliata di Salaparuta entstammend, zeichnet sie im Roman "Mariana Ucrìa" ein Gegenbild zu Lampedusas "Il Gattopardo", in "Bagheria" den durch Spekulationen und Bausünden bedingten Untergrund der gleichnamigen nordsizilianischen Stadt. Im vergangenen Jahr erschien ihr Roman "Colomba", auch er wie "Die dritte Frau von Mayer" eine Spurensuche. Dacia Maraini wurde mit bedeutenden italienischen und internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet. Ihre Romane und Theaterstücke wurden in viele Sprachen übersetzt.
Ursendung: 26.04.2006
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