Der Direktor lädt einen nur einmal auf den Sonnenberg. Es war ganz still geworden im Büro, als Paul die Ehre zuteil wurde: Sonnabend, sieben Uhr, c. t., mit seiner Frau Isabelle. Paul hatte stumm genickt. Doch am Sonnabend stieg Paul nicht ins Taxi, das ihn auf den Sonnenberg hätte bringen sollen - der Blumenstrauss, den Isabelle für die Frau des Direktors gekauft hatte, roch so eigenartig, und überhaupt: wem sollte er zuerst die Hand reichen, und was sollte er sagen beim Aperitif. Am Montag dann ist Paul nicht zur Arbeit gefahren. Ist stattdessen in seine Werkstatt im Keller runtergestiegen und hat an seiner Maschine getüftelt, die es zu perfektionieren gilt, während Isabelle das aufgeschobene Treffen vorbereitet: von der richtigen Kleidung zu den richtigen Worten und dem Verhalten bei Tisch will alles sorgfältig gewählt und geübt sein. Es ist nur ein kleiner Fehltritt, ein kurzer Moment des Unvermögens, der Paul und Isabelle aus der sozialen Ordnung wirft und von den gesellschaftlichen Konventionen ausschliesst. Plötzlich vermag das Paar nicht mehr teilzunehmen am täglichen Geschehen, den ordentlichen Beschäftigungen. Die Welt draussen erscheint ihm unerreichbar und unverständlich. Immer mehr zieht es sich zurück in einen eigenen Kosmos, der unvermittelt zum Phantasma der absoluten Liebe wird.
Sabine Wen-Ching Wang, 1973 in Münsterlingen (CH) geboren, absolvierte nach einer Ausbildung am Lehrer- und Lehrerinnenseminar Kreuzlingen von 1995 bis 2004 ein Studium der Sinologie und der Kunstgeschichte Ostasiens in Zürich und Taipei (Taiwan). Sie schreibt Hörspiele, Theaterstücke und Lyrik. Ihre Stücke wurden, u. v. a. am Schauspielhaus Zürich und am Freien Forum Theater Düsseldorf aufgeführt. Sie wurde für ihre Werke mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Preis der Schweizerischen Autorengesellschaft (2003) und dem Lyrikpreis der Internationalen Bodenseekonferenz (2006).
Philipp Schaufelberger, geboren 1970 in Göttingen, studierte erst klassische Gitarre und bildete sich dann an der Jazzschule Luzern weiter. Er spielt in verschiedensten Formationen im Bereich Jazz und verwandter Formen, u. v. a. mit Harald Haerter, Dewey Redman, Michael Brecker, Arthur Blythe, Eric Truffaz, Daniel Mouthon. Mitglied in Lucas Nigglis "Zoom" und im "Pierre Favre Ensemble".
hoerspielTIPPs.net:«Ein Hörspiel mit originellem Aufhänger. Sabine Wen-Ching Wang schildert die Geschichte eines Rückzugs. Aus einem kleinen Moment der Angst erwächst ein großer Moloch, der die Protagonisten Paul und Isabelle immer mehr in die Insolation und die Rückbesinnung auf ihre eigene Liebe drängt.
Dieses Stück wird von den guten Schauspielern getragen, die die - auf den ersten Blick befremdliche - Geschichte mit sehr glaubwürdigen Emotionen beleben.
Die Umsetzung ist sehr auf den Text bezogen, bis auf die stimmigen Musikstücke Philipp Schaufelbergers fordert die Geschichte hier wenig akustische Besonderheiten.
"Die Einladung" wird vielleicht nicht jeder Hörer annehmen. Dazu ist der Text dann doch zu speziell, das Hörspiel insgesamt etwas zu schwergängig. Wer die Herausforderung annehmen kann, der wird zumindest mit einer tiefgründigen Geschichte belohnt.»
Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 23.05.2020
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