Sein Leben lang war Heinrich Zille - mit Zetteln und Stiften bewaffnet - dem ´Milljöh´ auf der Spur, als der immer wache Chronist mit dem großen Herzen. Dass er als solcher mitunter tief hinab stieg, versteht sich von selbst. So manche Nische, so manche Straßenecke entlarvte er als veritablen Sündenpfuhl, so etwa 1913, als er unter dem Pseudonym W. Pfeiffer das schmale Bändchen Hurengespräche veröffentlichte.
In einem ´Boullionkeller´ trifft sich des Nachts eine Hand voll leichter Mädchen, um aus dem Nähkästchen zu plaudern - kein Sujet, mit dem sich auf breiter Linie reüssieren ließ, und tatsächlich tat Zille gut daran, diese fiktiven Dialoge nicht unter dem eigenen Namen herauszubringen. Als ´üble Lektüre´ war das Buch bald verschrien: unsittlich, unanständig, pornographisch - kurz: Geschmiere.
Und tatsächlich: erbaulich ist das alles nicht, was man da liest. In den Anekdoten, die die Damen austauschen, reicht das Spektrum von der versuchten Vergewaltigung über Schläge bis zum Inzest. Doch in dieser Runde schockiert das niemand. Im Gegenteil! Das wird besprochen wie das Wetter oder der Preis für ein Pfund Karotten.
Heinrich Zille,
1858-1929, Zeichner, Grafiker, Fotograf. Wurde bekannt durch seine Zeichnungen. Sein Hauptthema war das proletarische Milieu Berlins, in der Darstellung seiner Typen und Gestalten verband er volkstümlichen Humor mit ernster Satire, ohne in sentimentales Pathos zu verfallen.
hoerspielTIPPs.net:«Heinrich Zilles Aufzeichnung Berliner ´Hurengespräche´ bietet nur formal einen verklärten Blick auf eine vergangene Zeit, deren Marotten hier zum Teil sehr humorvoll zur Schau gestellt werden. Allerdings liegt dahinter ein realer und damit ernster Hintergrund, denn die so leicht und locker vorgestellten Geschehnisse behandeln bitterböse Themen und widerlaufen so dem volkstümlichen, unterhaltsamen Charakter schon recht stark.
Jutta Hoffmann konnte hier auf einen sehr guten Sprecherstab zurückgreifen. Alle Sprecherinnen agieren sehr glaubhaft und bringen auch sehr erstaunliche Gesangseinlagen zu Gehör. Hier hat auch Uwe Hilprecht sehr lobenswert das Thema musikalisch eingefangen und beleuchtet.
´Hurengespräche´ ist als Sittengemälde eine Gesellschaft aus einer sog. ´guten, alten Zeit´ auf jeden Fall ein Ohr wert. Ein Hörspiel bei dem einem schon der ein oder andere Schmunzler im Halse stecken bleibt.
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