In der Strafkolonie
ein Hörspiel von Franz Kafka, BR 2007
Kafkas Erzählung entstand im Oktober 1914 unter dem Eindruck des beginnenden Ersten Weltkriegs und ging 1919 in Druck. In seiner Inszenierung teilt der Regisseur Ulrich Gerhardt den Text in Segmente ein, die er zu einem vielstimmigen Hörspielmonolog verbindet.
Ein angesehener Forschungsreisender erhält die Einladung, an einer öffentlichen Exekution teilzunehmen, um einen Einblick in das Rechtssystem der Strafkolonie zu erhalten, die auf einer weit entfernten Insel gelegen ist. Der dort herrschenden Rechtsordnung folgend, wird dem Angeklagten vor der Hinrichtung weder die Möglichkeit gegeben, sich zu verteidigen, noch verkündet man ihm vor der Vollstreckung das Urteil. Es findet keine Abwägung über die Verhältnismäßigkeit des Urteils statt, denn in der Strafkolonie herrscht der Grundsatz: ´Die Schuld ist immer zweifellos.´ Eine Apparatur führt den Hinrichtungsprozess durch, indem sie dem Verurteilten das Gebot, das er übertreten hat, in die Haut einritzt, nebst den gesamten Körper umspannenden Verzierungen. Der Vorgang schreitet fort, bis die Nadeln tief in das Fleisch des Verurteilten eindringen und diesem die Bedeutung der Einschreibungen aufgeht. Nach dieser zwölfstündigen Folter durchsticht eine besonders lange Nadel den Kopf des Verurteilten, er stirbt und wird entsorgt. Der Reisende beobachtet die Abläufe. Er prüft die Vorgehensweise, wägt ab, reflektiert seinen Standpunkt - solange wie möglich bleibt er in einer reinen Betrachterposition.
Außerhalb von Prag nahm Kafka nur ein einziges Mal an einer Lesung eigener Werke Teil: Im November 1916 stellte er in München seine Erzählung ´In der Strafkolonie´ vor. Die Veranstaltung war ein Misserfolg, von den knapp 50 Besuchern verließen einige bereits während des Vortrags den Saal, Rezensionen sprachen von dem Text einhellig als ´stofflich abstoßend´ und bezeichneten Kafka als ´Lüstling des Entsetzens´. Für Kafka selbst stellte ´In der Strafkolonie´ jedoch einen Höhepunkt seines literarischen Schaffens dar. In einem Brief vom 11. Oktober 1916 an seinen Verleger Kurt Wolff äußerte er in Bezug auf diese Erzählung: ´Gott weiß wie tief ich auf diesem Weg gekommen wäre, wenn ich weitergeschrieben hätte oder besser, wenn mir meine Verhältnisse und mein Zustand das, mit allen Zähnen in allen Lippen, ersehnte Schreiben erlaubt hätten.´
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