Irgendwo auf dem Weg ins 21. Jahrhundert ist er abhanden gekommen, der Flaneur. Jener philosophische Müßiggänger, ein träumerischer Spaziergänger, der ziellos durch die Straßen der Großstadt streunt, und dabei doch einer geheimnisvollen Tätigkeit nachzugehen scheint. Dieser "Mann der Menge", wie ihn Poe bezeichnet hat, scheint in den Labyrinthen der Metropole zuhause und mehr zu sehen als andere - nicht umsonst präformiert sich in ihm die Figur des Detektivs. "Der flânerie liegt neben anderm die Vorstellung zu Grunde, daß der Ertrag des Müßiggängers wertvoller sei als der der Arbeit. Der flâneur macht bekanntlich >Studien<." - so Walter Benjamin, der das "gelobte Land des Flaneurs" in Paris, seiner Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, lokalisierte. Doch bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mutierte sein Bild zu dem des in Caféhäusern sitzenden, rauchenden Existentialisten als eines Möchtegern-Schriftstellers. Mittlerweile ist der Flaneur vollends in die Krise gekommen. Langeweile hat sich seiner bemächtigt, er wird die Macht der Gewohnheit nicht mehr los. Zwischen unzähligen Zigaretten und den täglichen Restaurant- und Caféhausbesuchen ist er immer noch auf der Suche nach "Beute", nach kleinen, präzisen Beobachtungen, die zu notieren lohnten - aber wie sie in Sprache fassen? Melancholisch und nicht ohne Ironie betrachtet Norbert Jochum in seinem jüngsten Stück die Nöte jener müßiggängerischen Existenz als die eines ungewollten Tragikers.
Er schreibt: Manchmal die Vorstellung, das Leben einfach abschreiben zu wollen. Nicht so, wie man früher in der Schule abgeschrieben hat, eher so, als müsse man nur etwas vorleben und es dann, als Text, nachschreiben."
hoerspielTIPPs.net:«Merkwürdiges Teil - packt mich nicht»
Ursendung: 23.02.2014
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