""Und ich geh hin und zieh den Vorhang zur Seite, und da trifft mich gleich der Sonnenstrahl mit zirka dreihunderttausend Kilometer pro Sekunde ins Auge, und da dreh ich mich um und leg mich wieder ins Bett." Konrad Bayers Prosatexte sind aberwitzige Situationsbeschreibungen und skurrile Geschichten.
Der Wiener Dichter stellt seine Gesellschaft als eine unendliche Liste von Leuten dar, die sich die Hand geben – in unendlicher Freundlichkeit. Er holt dann aber die unterschwelligen Tendenzen eben dieser Gesellschaft ans Licht. So etwa einen auch nach dem Zweiten Weltkrieg ungebrochenen Rassismus. Der Kindsmissbrauch in honorigem Dekor taucht ebenso auf wie der notorische Hang zum Grossartigen: Ein Bericht über das Wachsen eines nicht näher definierten Gegenstandes, zum Beispiel, liegt zwischen begeisterter Fussballreportage und faschistischer Rhetorik. – Da steht einer am Rand und schüttelt den Kopf.
Bayers avantgardistische Sprachverfahren waren keineswegs nur ästhetisches Spiel, sondern auch gesellschaftspolitischer Kampf. Ostentativ wurde eine literarische Richtung weiterverfolgt, die unter den Nationalsozialisten verboten und nach 1945 durchaus noch verpönt war. Als Ziel der Literatur galt Bayer, übernommene Denkschablonen ad absurdum zu führen und – nicht zuletzt durch einen grossen Humor – Lust auf neue, ungewohnte, eigene Sichtweisen zu machen."
Konrad Bayer,1932 in Wien geboren. Bayer war befreundet mit Schriftstellern wie Oswald Wiener, Gerhard Rühm, H. C. Artmann und Friedrich Achleitner, die er ab 1951 im Art Club kennengelernt hatte. Von 1954 bis 1960 bildeten sie die Wiener Gruppe. Nach einem Besuch bei der Gruppe 47 im Jahr 1964, in der seine präsentierten Werke eine äusserst kritische Aufnahme gefunden hatten, setzte Bayer seinem Leben ein Ende.
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